Functional Analysis II - Michael Struwe - 2017

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Andreas, 23.08., 9:00

I: Guten morgen P: Guten morgen (Prof. Struwe überlegt kurz)

P: Wir haben uns ja in der Vorlesung ausführlich mit elliptischen Randwertproblemen und schwachen Lösungen beschäftigt. (Bekomme einen kurzen Herzstillstand, will er jetzt direkt auf Schauder-Theorie (Kapitel 10) hinaus?)

P: Können Sie mir ein solches Problem einmal hinschreiben? (Hier hätte ich wahrscheinlich tatsächlich auch ein Problem aus Kapitel 10 wählen können, aber so nochmal Glück gehabt, nehme natürlich nicht Kapitel 10.) I: Das einfachste Beispiel eines elliptischen Differentialoperators ist der Laplace-Operator, wir haben uns ausführlich mit dem Dirichlet-Problem beschäftigt. Schreibe und erkläre dabei: \begin{equation*} \begin{cases} -\Delta u = f & \text{, } \Omega \\ u = g & \text{, } \partial \Omega \end{cases} \end{equation*} ... wobei \(f \in L^2, \Omega \subseteq \mathbb{R}^n\) offen oder auch beschränkt gegeben sind und \(u\) gesucht ist. Wir können oBdA \(g = 0\) annehmen, denn obiges Problem ist mit der Definition \(\tilde{u} := u - g\) zu \begin{equation*} \begin{cases} -\Delta \tilde{u} = \tilde{f} & \text{, } \Omega \\ \tilde{u} = 0 & \text{, } \partial \Omega \end{cases} \end{equation*} äquivalent, wenn wir noch \(\tilde{f} = f + \Delta g\) setzen.

P: Wie würden Sie jetzt vorgehen, um schwache Lösungen zu finden?

I: Schreibe und erkläre: Die Idee ist eine Testfunktion \(\varphi \in C_c^{\infty}(\Omega)\) auf beiden Seiten der Gleichung (deute auf \(- \Delta u = f\) ) zu multiplizieren, beide Seiten über Omega zu integrieren und dann die linke Seite partiell zu integrieren. Man erhält \begin{equation*} \int_{\Omega} \nabla u \nabla \varphi dx = \int_{\Omega} f \varphi dx \end{equation*} Nun deute ich die linke Seite als Skalarprodukt auf einem passenden Funktionenraum, hier \(H_0^1\), und die rechte Seite setzt sich fort zu einem Element im Dualraum \((H_0^1)^{*}\). Da müsste man dominierte Fortsetzung, also im Prinzip Hahn-Banach, aus der F.A. I verwenden. Jetzt möchte ich den Satz von Riesz anwenden ...

P: (unterbricht) Was ist eigentlich \(H_0^1\)?

I: schreibe \(H_0^1 = \lbrace u \in H^1 \mid u \vert_{\partial\Omega} = 0 \rbrace\) passend zu unserem Problem.

P: Kennen Sie eine weitere Definition?

I: Ja, als Abschluss des Testfunktionenraums \(C_c^{\infty}(\Omega)\) bzgl. der von obigem Skalarprodukt induzierten Norm: \begin{equation*} H_0^1 = \lVert \cdot \rVert_{H_0^1}-\text{clos}(C_c^{\infty}(\Omega)) \end{equation*}

P: Die Norm stimmt noch nicht ganz ...

I: Ah ja, da ist eine Null zu viel, man nimmt die \(H^1\)-Norm. (Korrigiere \(\lVert \cdot \rVert_{H_0^1}\) zu \(\lVert \cdot \rVert_{H^1}\)) Das bedeutet \(u\) liegt in \(H_0^1\) genau dann wenn eine Folge \((u_k)\) aus \(C_c^{\infty}\) existiert, die in der \(H^1\)-Norm gegen \(u\) konvergiert.

P: Jetzt betrachten sie aber zwei verschiedene Normen. Sind die äquivalent?

I: Ja, wegen der Poincare-Ungleichung, wir hatten 3 Versionen in der Vorlesung gesehen, hier genügt folgende: (Schreibe Lemma 7.1.2 hin) Soll ich das beweisen?

P: Nein, das können Sie sicher aus dem Stehgreif, wir wollten ja ursprünglich mal den schwachen Lösungsbegriff definieren ...

I: (wäre auch zu schön gewesen). Ja, wie gesagt prüfe ich jetzt die Voraussetzungen des Rieszschen Darstellungssatzes. \(L^2\) ist ein Hilbertraum, also auch \(H^1\), also auch \(H_0^1\), da abgeschlossen. (Hier müsste man noch sagen, dass zwar das Skalarprodukt wechselt, aber wegen Lemma 7.1.2 ist das kein Problem.) Die rechte Seite \begin{equation*} \psi(\varphi) := \int_I f \varphi dx \end{equation*} ist stetig mit Hölder ...

P: (unterbricht) Betrachten Sie mal die Operatornorm

I: (schreibe die Definition hin)

P: (fügt Betragsstriche oben ein und führt Hölder aus) So sehen wir, dass \(\psi\) tatsächlich stetig ist. Jetzt haben wir aber immernoch keinen schwachen Lösungsbegriff ...

\I: (Hätte das zwar auch gekonnt, aber nun ja) Riesz liefert (endlich!) \begin{equation*} \forall v\in H_0^1: \int_{\Omega} \nabla u \nabla v dx = \int_{\Omega} f v dx \end{equation*} Ein \(u\), welches diese Zeile erfüllt, heisst schwache Lösung des Dirichlet-Problems.

P: (Zufrieden) Existiert eine solche schwache Lösung immer?

I: (überlege kurz, ob ich was übersehen habe) Ja, Riesz liefert zu jedem \(f \in L^2\) eine schwache Lösung.

(Das war es zu Kapitel 7.1, ungefähr die Hälfte der Zeit war um, jetzt nur noch Kapitel 7.4, hier hätte an auch noch fragen können, wann das \(u\) sogar eine klassische Lösung ist)

P: Gut, wir haben uns in der Vorlesung auch noch weitere Varianten angesehen, was können sie dazu sagen?

I: Wenn ich mich auf \(\mathbb{R}\) beschränken darf, z.B. das Neumann-Problem.

P: (offenbar genau das, worauf er hinauswill) Betrachten sie mal nicht ganz \(\mathbb{R}\), sondern nur ein Intervall.

I: Ah ja, wegen den Randbedingungen (schreibe): \begin{equation*} \begin{cases} -u + u = f \\ u'(a) = 0 = u'(b) \end{cases} \end{equation*}

P: Genau, wie sieht es hier mit schwachen Lösungen aus?

I: Jetzt muss ich das Skalarprodukt leicht abändern: (\(I = (a,b)\)) \begin{equation*} \langle u,v \rangle_{H^1} := \int_{I} u'v'+uvdx \end{equation*}

P: Warum ist das positiv definit?

I: (überlege) ... aus dem gleichen Grund wie oben?

P: Ja, Addition zweier Skalarprodukte.

I: (Fahre fort) Ok, Riesz liefert jedenfalls \begin{equation*} \forall v\in H^1: \int_{I} u'v'+uvdx = \int_{I} fvdx \end{equation*} Ein solches \(u\) heisst schwache Lösung des Neumann-Problems.

P: Und existiert eine solche immer?

I: (sicherer als vorher) Ja, genauso wie vorhin.

P: Gut, betrachten wir nun die Randdaten ...

I: Hier ist die Idee \(\int_{I} fvdx) auf die andere Seite zu nehmen und partiell zu integrieren, wobei wir hier Randterme bekommen: (schreibe) \begin{equation*} 0 = \int_{I} (-u + u - f)v dx + u'(a)v'(a) - u'(b)v'(b) \end{equation*} (Das ging ihm jetzt zu schnell, die Gleichung stimmt auch nicht ganz, es müsste \(\cdots - u'(a)v(a) + u'(b)v(b)\) heissen.)

P: Moment, das \(u\) ist in \(H^1\), woher nehmen Sie die zweite Ableitung?

I: (ok, also schön langsam nach Skript) Naja, wenn ich hier (deute auf \(-u`` + u = f\) ) das \(u\) auf die andere Seite nehme, habe ich \(u = f -u\).

P: (das reicht ihm nicht) Betrachten sie mal \(v \in C_c^{\infty}\).

I: (Ahh, das wollte er ursprünglich hören) Achso, ja, gemäss \(\int_{I} u'v'+uvdx = \int_{I} fvdx\) hat \(u'\) die schwache Ableitung \(u-f\) in \(L^2\).

P: Genau, jetzt können sie wieder oben weitermachen, wobei das noch nicht ganz stimmt. (Er streicht wie oben bemerkt die Ableitungen bei \(v\) weg, jetzt steht die korrekte Gleichung da.) Und jetzt ...

I: Da \(v\) beliebig ist, kann ich es je so wählen, dass \(u'(a) = 0\) oder \(u'(b) = 0\) folgt. (Genauer muss man zwei \(v\) betrachten, einmal eines mit \(v(a) = 0 \neq v(b)\) und einmal umgekehrt, aber er scheint zufrieden damit zu sein).

P: (zur Assistentin) Wie viel Zeit haben wir noch?

\ass 5 Minuten

P: Ok, wie sieht es aus, wenn wir nun \begin{equation*} \begin{cases} -u = f \\ u'(a) = 0 = u'(b) \end{cases} \end{equation*} betrachten. Können wir hier genauso vorgehen? I: (Den Teil habe ich mir nicht mehr so genau angeschaut, überlege, weiss nicht so recht, worauf er hinauswill ...) P: Existiert auch hier immer eine schwache Lösung?

I: Nicht immer. (Mehr ratend) ... womöglich gäbe Riesz \(u \equiv 0\) statt \(f\)?

P: Es gibt eine notwendige Bedingung an \(f\), betrachten Sie mal (schreibt) \begin{equation*} \int_I u(x)dx \end{equation*} Wir haben dann zusammen \begin{equation*} 0 = u'(a) - u'(b) = - \int_I u(x)dx = \int_I f(x)dx \end{equation*} hergeleitet.

P: \(f \in L^2\) reicht hier also nicht.

I: Ah ja, stimmt. Wir hatten uns danach auf den Lösungsraum \(X = \lbrace u \in H^1 \mid \int_I u dx = 0 \rbrace\) eingeschränkt. (Korrekt wäre \(X = \lbrace u \in H^1 \mid \frac{1}{\vert I \vert} \int_I u dx = 0 \rbrace\), da Addition beliebiger Konstanten ebenfalls eine Lösung produziert)

P: Hier können wir jetzt wieder Poincare benutzen.

I: Ja, diesmal allerdings in der Variante von Satz 8.6.6 (Prof. Struwe grinst und ich schreibe den Satz hin).

P: Genau, und der auftretende Mittelwert \(u_{x_0, r}\) ist 0 ...

I: ... und das entsprechende Skalarprodukt ist äquivalent.